Vergütungsstrukturen im Öffentlichen Dienst
Die Eingruppierung und Stufenzuordnung nach TVöD im Lichte unions- und verfassungsrechtlicher Anforderungen
Das Forschungsprojekt nahm die Vergütungsstrukturen der Tarifverträge des öffentlichen Dienstes in den Blick. Das Arbeitsentgelt wird für die allermeisten Beschäftigten im öffentlichen Dienst nicht frei ausgehandelt, sondern ergibt sich etwa aus dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst des Bundes und der Kommunen (TVöD) oder der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L).
Basis der Vergütung ist das sogenannte Tabellenentgelt, dessen Höhe sich nach der Entgeltgruppe bemisst, in die die beschäftigte Person eingeordnet ist. Die Einordnung orientiert sich an den Merkmalen der auszuübenden Tätigkeit, die wiederum wesentlich durch die dafür notwendige Ausbildung determiniert werden (un- und angelernte Tätigkeiten, anerkannte Berufsausbildung, Fachhochschulausbildung und wissenschaftlichen Hochschulausbildung). Außerdem kommen „Anforderungs- und Heraushebungsmerkmale“ zur Anwendung, die etwa nach der Schwierigkeit und Bedeutung der Tätigkeit sowie der Verantwortung der beschäftigten Person differenzieren. Im Rahmen der Stufenzuordnung werden darüber hinaus die Berufserfahrung der beschäftigten Person sowie die Dauer der Tätigkeit innerhalb derselben Entgeltgruppe bei ihrem Arbeitgeber berücksichtigt.
Die schematische Zuordnung ist nicht zuletzt im Zuge der Corona-Pandemie infrage gestellt worden, da sie die gesamtgesellschaftliche Bedeutung verschiedener Tätigkeiten bei der Bestimmung des Entgelts nicht hinreichend berücksichtige. Gerade im öffentlichen Dienst fanden sich viele während der Pandemie als „systemrelevant“ bezeichneten Berufe.
Das Forschungsprojekt unternahm zunächst eine systematische Bestandaufnahme der tariflichen Vergütung. Dabei wurden Unterschiede und Gemeinsamkeiten zum Besoldungsrecht verglichen. Untersucht wurden auch die Entstehung und Entwicklung der Regelungen. Das Projekt trug außerdem Vorgaben des höherrangigen Rechts, an denen die tariflichen Regelungen zu messen sind, zusammen. Vor diesem Hintergrund nahm sich das Projekt der Rechtsfragen bezüglich für die Eingruppierung festzustellenden Arbeitsvorgänge sowie der Auslegung der Tätigkeitsmerkmale an. Dabei ging es auch um die Frage, wie „flexibel“ die Merkmale bei gesellschaftlichen oder technischen Veränderungen sein können. Im Fokus standen dabei insbesondere die gesteigerte Bedeutung einiger Tätigkeiten währen der Pandemie.
Diskutiert wurde dies beispielsweise für die Pflegeberufe. Die Vielzahl und die überaus hohe Relevanz der unbestimmten Rechtsbegriffe zur Tätigkeitsbeschreibung führt zu Rechtsunsicherheit, nicht zuletzt bei sich neu herausbildenden Berufsfeldern. Darüber hinaus werfen Eingruppierung und Stufenzuordnung verschiedene Gleichheitsfragen auf. Dies betrifft etwa die mittelbare Diskriminierung aus Gründen des Geschlechts, da sich männliche und weibliche Beschäftigte sehr unterschiedlich auf die verschiedenen Entgeltgruppen verteilen und der Frauenanteil in den untersten Entgeltgruppen besonders hoch ist. Denkbar ist aber auch die Benachteiligung von Migrantinnen und Migranten, deren Ausbildung sich nicht in das dem TVöD bzw. TV-L zugrundeliegende System einfügt oder deren in anderen Mitgliedstaaten erworbene Berufserfahrung nicht hinreichend berücksichtigt wird.
Die Auswahl der Themen des Arbeitsvorgangs sowie der Auslegung von Tätigkeitsmerkmalen ergaben sich aus der Auswertung von Urteilen des BAG, die bei Projektbeginn bereits zu den aktuellen Tarifverträgen TV-L und TVöD veröffentlicht waren. Ihre Relevanz bestätigte sich durch großes Interesse an dem ihm Rahmen des Projekts veranstalteten Workshop. Dieser fand am 1. September 2022 in Speyer statt. Teilnehmende aus der Praxis diskutierten zu den Themen „Arbeitsvorgang“, „unbestimmte Rechtsbegriffe“ und „diskriminierungsfreie Eingruppierung“.
Im Rahmen des Projektes ist die Dissertation mit dem Titel „Rechtsfragen der Eingruppierung im öffentlichen Dienst“ entstanden, die Milena Herbig Ende September 2023 eingereicht hat.