Inhalte der Ausbildung von Führungskräften der allgemeinen inneren Verwaltung zwischen nationaler Besonderheit und europäischer Angleichung
Das Projekt setzt die verschiedenen Zugänge der mitgliedstaatlichen Verwaltungen zum Unionsrecht und ihren unterschiedlichen Umgang mit der Wahrnehmung und Ausfüllung mitgliedstaatlicher Gestaltungsspielräume zu den unterschiedlichen Ausbildungssystemen, die die späteren Führungskräfte in der nationalen allgemeinen inneren Verwaltung zu durchlaufen haben, in Beziehung.
Insoweit kann etwa vermutet werden, dass in den Mitgliedstaaten, in denen diese Ausbildungsinhalte einen vergleichsweise geringen (europa)rechtlichen und einen vergleichsweise hohen managementbezogenen Anteil haben, die späteren Führungskräfte eher bereit sein werden, mitgliedstaatliche Gestaltungsspielräume auszureizen als wenn ein Schwerpunkt der Ausbildung auf den rechtlichen Grenzen des Verwaltungshandelns liegt. Das Projekt setzt sich deshalb zum Ziel, verwaltungswissenschaftliche Ausbildungsinhalte genauer zu analysieren. Mittels einer solchen Analyse kann auch überprüft werden, inwieweit sich das Vorhandensein von spezifischen Ausbildungsinhalten, wie etwa der erwähnten europäischen Inhalte oder besonderer Kompetenzen, auf die Übernahme von Führungspositionen im europäischen und internationalen Kontext auswirkt. Bei der Analyse soll ein Schwerpunkt auf die Curricula der einschlägigen Hochschulstudiengänge gelegt werden, um insbesondere den Bildungshintergrund der kommenden Führungselite zu fokussieren. Die Beschreibung der Curricula erlaubt dabei auch weitergehende Schlussfolgerungen über die ihnen zugrundeliegenden generellen Konzeptionen von Verwaltung oder „Verwaltungskulturen“.
Die international vergleichende Analyse der Bildungshintergründe verfolgt darüber hinaus weitere Ziele. In einem deskriptiven Sinne geht es zunächst darum, zu überprüfen, ob sich die aus anderen Studien bekannten nationalen Verwaltungstraditionen auch in den Bildungsinhalten widerspiegeln und durch sie beeinflusst sind, oder ob es zu einer wachsenden Kongruenz, unter anderem durch die Aufnahme gemeinsamer europäischer Bildungsinhalte, kommt. Durch einen Abgleich der hochschulischen Curricula mit den vom Verwaltungsnachwuchs als besonders relevant erachteten Aspekten des Studiums können zweitens Anregungen für eine Verbesserung der Ausbildung geliefert werden.
Das Projekt bestimmt zunächst auf der Grundlage von Recherchen den Bildungshintergrund des verwaltungswissenschaftlichen Führungsnachwuchses. Hierzu liegen bereits verschiedene Befunde vor. In einem zweiten Schritt werden auf dieser Grundlage die Curricula der relevanten Studiengänge international vergleichend analysiert. Hierbei wird an eine Vorgängerstudie aus dem Kontext des damals von der EU geförderten „Thematic Network for Public Administration“ angeknüpft. Drittens müssen diese quantitativen Befunde durch qualitative Interviews mit ausgewählten Vertretern des Führungsnachwuchses zu ihren Bildungshintergründen und den von ihnen als besonders wichtig empfundenen Inhalten ergänzt werden.
Die Identifikation relevanter Bildungsinhalte ist komplex. Daher beschränkt sich das Projekt zunächst auf eine kleinere Anzahl von Ländern und Hochschulen bzw. Studiengängen. Theoretische Überlegungen im Anschluss an die von Hajnal (2003) gefundenen Cluster und die am Institut vorhandenen Sprachkompetenzen legen z. B. die Länder Deutschland (legalistische Tradition), Frankreich (politische Tradition) und Großbritannien (angelsächsische Tradition bzw. New Public Management-Ansätze) nahe. Mittelfristig ist die Ausweitung der Analysen auf zusätzliche Länder und Studiengänge durch einen Drittmittelantrag, etwa im europäischen Rahmen, geplant.
Das Projekt ist innovativ, indem es in dreierlei Hinsicht über die aktuelle Forschung hinausgeht: Erstens wird die bestehende Analyse des erwähnten thematischen Netzwerkes aktualisiert, wodurch auch ein Zeitvergleich möglich und der Einfluss der Bologna-Reform und aktueller Entwicklungen des Europäischen Hochschulraums sichtbar werden. Zweitens war Deutschland bisher nicht Teil der Analysen, so dass hier eine wichtige Ergänzung stattfindet. Drittens gibt die kombinierte und vergleichende Analyse von Ausbildung und (europäischer) Karriere erste (allerdings sicherlich nicht definitive) Hinweise auf mögliche Gründe für eine oft angenommene deutsche Unterrepräsentation in internationalen Verwaltungszusammenhängen.
Das Projekt bewegt sich zwischen den beiden Polen der Grundlagenforschung und der Anwendungsorientierung und wird damit sowohl Beiträge zur verwaltungswissenschaftlichen und zur Hochschulforschung als auch zur Praxis der verwaltungswissenschaftlichen Ausbildung liefern können. Es knüpft eng an die anderen Projekte dieses Themenfeldes an und sieht sich als komplementäre Ergänzung derselben.
Auf Grund der Forschungsergebnisse des Projekts sollen ferner praktische Empfehlungen zur Verbesserung der Aus- und Fortbildung der Führungskräfte des deutschen öffentlichen Dienstes abgeleitet werden, um diesen „europatauglicher“ zu machen. Dies soll auch durch die Einbindung der für die Aus- und Fortbildung von Führungskräften in Deutschland zuständigen Referenten der Bundes- und Landesministerien in Form eines „Projektbeirats“ gewährleistet werden, die über den Verwaltungsrat des FÖV identifiziert werden können.