Steuerung des nationalen Unionsrechtsvollzugs durch Soft Law
Das Projekt untersucht die Bedeutung von unionalem Soft Law für die Handlungsspielräume der Mitgliedstaaten beim Vollzug von EU-Recht.
Die EU beschränkt den nationalen Handlungsspielraum nicht nur durch ihre verbindliche Rechtsetzung, die zwingende Vorgaben formuliert, sondern bedient sich zunehmend auch weicher, nicht verbindlicher Handlungsformen, um den nationalen Unionsrechtsvollzug effektiv zu steuern. Die nationalen Handlungsspielräume entstehen dort, wo die administrative Vollzugsprogrammierung durch EU-Recht Entscheidungen nicht bis ins Detail vorgibt. Die Kommission bemüht sich in immer mehr Bereichen darum, diese nationalen Spielräume im Vollzug des EU-Recht in den Mitgliedstaaten durch den Einsatz von sogenanntem Soft Law einzugrenzen. Sie gibt Anwendungshinweise durch Leitlinien und Mitteilungen, oder erstellt oder veranlasst Kodizes, die einer Vereinheitlichung und einer stärkeren Kohärenz des Unionsrechtsvollzugs in den Mitgliedstaaten dienen sollen und quasi als Ausführungsvorschriften zum Sekundärrecht angesehen werden. Die relative „Offenheit“ und Flexibilität des verbindlichen Rechts und nationalen Spielräume werden dann durch Soft Law-Instrumente beschnitten.
Das vorliegende Projekt wendet sich daher der zunehmend bedeutsamen Steuerung des nationalen Unionsrechtsvollzugs durch Soft Law zu. Dabei geht es weniger um seine eingrenzende Bedeutung, sondern vielmehr darum, seine Relevanz für die politisch-administrativen Gestaltungspotentiale der Mitgliedstaaten aufzuzeigen. Denn die Rolle des Soft Law ist durchaus ambivalent. Es kann nämlich auch zur Stärkung oder Sicherung nationaler Gestaltungspotentiale dienen, weil die nationale Verwaltung an dessen Ausgestaltung mitwirken und sich so Handlungsoptionen sichern kann. Auch die formal grundsätzliche Unverbindlichkeit des Soft Law könnte Möglichkeiten für nationale Spielräume bieten. Die Analyse der Soft-Law-Steuerung des nationalen Vollzugs durch die Kommission im Hinblick auf die nationalen Gestaltungspotentiale bedarf daher einer Erforschung zum einen der Mechanismen und Strukturen, aber auch Grenzen des Einsatzes von Soft-Law-Instrumenten und zum anderen der Mitwirkungspotentiale für nationale Verwaltungen. Dabei bietet es sich an, die Forschungen auf verschiedenen Politikfeldern anzulegen, um übergreifende Strukturen zu identifizieren, aber auch Unterschiede zu verdeutlichen und auf diese Weise die Erkenntnis nationaler Handlungspotentiale in diesem Bereich zu befördern.
Zwar ist das unionale Soft Law schon wiederholt Gegenstand von Analysen gewesen. Dennoch ist das vorliegende Projekt geeignet, neue Forschungsfragen aufzuwerfen, weil es eine andere Perspektive, nämlich die nach den nationalen Handlungsoptionen einnimmt und nach den sich für die nationale Verwaltung ergebenen Handlungspotenzialen im administrativen Mehrebenensystem der EU fragt. Insoweit ist der Forschungszugang neu, weil sich die bestehenden Untersuchungen zum Soft Law im Unionsrecht allein den unitarisierenden und supranational steuernden Wirkungen widmen und sich häufig auf den Wettbewerbsbereich beschränken.
Auf diese Weise trägt das Projekt zur Erforschung der Herausbildung einer supranationalen Exekutivordnung bei. Gegenstand des Projektes ist somit die Identifizierung von Strukturen informaler Steuerung durch Soft Law, die Verdeutlichung ihrer Funktion und Wirkungsweise und ihre Analyse im Hinblick auf die Handlungspotentiale der nationalen Verwaltung.